Evaluierungsbericht WM 2027: Rückschlag für DFB-Bewerbung

    Evaluierungsbericht WM 2027:Rückschlag für DFB und europäische Bewerbung

    von Frank Hellmann
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    Der Evaluierungsbericht der FIFA für die Fußball-WM der Frauen 2027 liegt auf dem Tisch. Ein Rückschlag für die gemeinsame Bewerbung von DFB, Belgien und den Niederlanden.

    Die Deutschen Frauen-Nationalmannschaft mit prominenter Unterstützung auch für die Bewerbung um die WM 2027.
    Bundeskanzler Olaf Scholz als prominente Unterstützung der DFB-Bewerbung für die Frauen-WM 2027
    Quelle: Imago

    Präsident Bernd Neuendorf, Generalsekretärin Heike Ullrich oder Sportdirektorin Nia Künzer sind die Vertreter vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), die kommende Woche dem 74. FIFA-Kongress in Bangkok vor allem wegen der Vergabe der Frauen-WM 2027 beiwohnen. Deutschland hat sich bekanntlich gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien beworben, doch die Wahrscheinlichkeit ist jetzt hoch, dass es bei den Delegationen aus dem Dreiländereck am 17. Mai lange Gesichter gibt.

    Evaluierungsbericht zugunsten von Brasilien

    Denn in der Nacht zu Mittwoch wurde der Evaluierungsbericht vom Weltverband veröffentlicht. Detailliert auf 182 Seiten ausgebreitet bringt er überraschend als klaren Punktsieger den einzigen Mitbewerber Brasilien hervor. Obwohl sich zunächst Südafrika, kürzlich dann auch die Doppelbewerber USA und Mexiko zurückgezogen haben, ist Europa nicht der Favorit der Inspekteure, die im Januar und Februar auf Rundreise auch in Deutschland waren.

    Fußball - Frauen-WM 2027
    :Nur noch ein Konkurrent für Deutschland

    Da waren's nur noch zwei Bewerber für die Fußball-WM der Frauen. Dass sich USA/Mexiko zurückziehen, muss aber nicht unbedingt ein Vorteil für Deutschland sein.
    Pokal der Frauen-Fußball-WM
    Während die als "BNG" (Belgium, Netherland, Germany) zusammengefasste Europa-Bewerbung am Ende auf 3,7 von 5 möglichen Punkten kommt, wird Brasilien mit 4,0 benotet. Ein Schlag ins Gesicht der von FIFA-Präsident Gianni Infantino ja immer wieder gerne gerügten Europäer. Richten sich die 211 FIFA-Mitgliedsverbände bei der offenen Abstimmung nach diesem Report, dann spielen die weltbesten Fußballerinnen in drei Jahren erstmals in Südamerika einen Champion aus - und zwar genau in jenen Stadien, in denen vor zehn Jahren die Männer-WM mit dem Triumphator Deutschland ausgetragen wurde.

    Brasilien holt Pluspunkte bei Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit

    Anders als bei der obskuren Hinterzimmer-Vergabe der Männer-Turniere 2030 und 2034 bemüht sich die FIFA bei der Frauen-WM 2027 zumindest vordergründig um Transparenz. Nach dem Bid Book ist auch das Evaluationsmodell einsehbar. Dabei werden Infrastruktur - mit den Unterpunkten Stadien, Trainings- und Medieneinrichtungen, Unterbringung und Fanfestivals - und die Wirtschaftlichkeit benotet. Stadien (35 Prozent) und Wirtschaftlichkeit (30 Prozent) sind am stärksten gewichtet - und hier hat Brasilien die entscheidenden Pluspunkte geholt.

    Bei einem Zuschlag für die Bewerbung Deutschlands, der Niederlande und Belgien soll in den Arenen der nordrhein-westfälischen Städten Dortmund, Düsseldorf, Gelsenkirchen und Köln gespielt werden.

    Man möchte wie schon bei der EM 2024 in Deutschland ein besonders nachhaltiges Event veranstalten. Die weiteste Entfernung zweier Spielorte im Dreiländereck beträgt 250 Kilometer, deshalb würde der Ball nur in Deutschlands Westen rollen.

    Bei den Stadien fällt das größere Fassungsvermögen der Südamerikaner auf. Deutschland hat mit Dortmund (Kandidat mit Amsterdam für Endspiel oder Eröffnungsspiel), Gelsenkirchen, Köln und Düsseldorf ausnahmslos große Arenen benannt, nicht aber die Nachbarländer. Belgiens Spielstätten in Genk, Gent, Brüssel oder Charleroi fassen nur jeweils rund 20.000 Zuschauer. Brasilien kann deshalb deutlich mehr Tickets (2,1 Millionen) anbieten.

    Gewinn vor Nachhaltigkeit

    Zudem verspricht das Land generell den größeren Gewinn. Zwar wollen auch die Europäer den bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland erwirtschafteten Rekorderlös von umgerechnet 527 Millionen Euro weit übertrumpfen, aber die FIFA schreibt: "BNG" habe ein "solides, finanzielles Angebot mit guten Prognosen für Medien- und Marketingrechte" abgegeben, Brasilien aber eine bessere, weil eine "starke kommerzielle Position" bezogen.
    Der aus Deutschland angeführte Aspekt der Nachhaltigkeit mit einem kompakten Konzept, bei dem Flugreisen komplett entfallen, fällt ziemlich unter den Tisch. Explizit hervorgehoben wird der Umweltschutzaspekt jedenfalls nicht.

    FIFA sieht hohes Risiko in "BNG"-Verträgen

    In Brasilien sind wieder riesige Distanzen zu überbrücken, weil genau wie bei der WM 2014 im warmen Norden (Recife, San Salvador), im kühleren Süden (Porto Alegre), in den Metropolen (Rio de Janeiro, Sao Paulo) und mitten im Amazonas (Manaus) gespielt werden soll.
    Götze und Klose
    Die Sehnsucht nach dem WM-Titel ist groß gewesen: 18 Jahre hatte das DFB-Team keine Trophäe in der Hand, das sollte sich bei der WM 2014 ändern. Manu Thiele blickt zurück.13.12.2022 | 17:34 min
    Der Evaluierungsbericht rügt, dass die drei europäischen Verbände die eingereichten Verträge modifiziert hätten. Man habe "zahlreiche wesentliche Abweichungen in der Mehrzahl der eingereichten Verträge festgestellt". Für die FIFA eine hohe Gefahr:

    Solche Unzulänglichkeiten setzen die FIFA potenziell erheblichen Risiken aus, darunter erhöhte Kostenverpflichtungen, erhebliche Verwässerung ihrer Rechte und ein Verlust der operativen Kontrolle.

    FIFA-Evaluierungsbericht zu den Bewerbungen für die WM 2027

    Brasilien akzeptiert FIFA-Verträge

    Der beim DFB federführend für die Bewerbung zuständige Patrick Kisko hatte schon vor Monaten angemerkt, dass die FIFA für die Frauen-WM mittlerweile dieselben Garantien und Hoheitsansprüche wie bei einer Männer-WM formuliert. Nach dem Motto: "Die FIFA darf alles." Während der DFB und die Partnerverbände deshalb Änderungen hinterlegt haben, hat Brasiliens Fußball-Verband (CBF) das offenbar unterlassen, denn die FIFA erkennt hier kein Risiko in den vertraglichen Rahmenbedingungen. Was vielleicht auch die wohlwollenden Bewertungen der Evaluierung erklärt.

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